Unter jenen, die Deutschland im Frühjahr 1933 verlassen mussten, weil sie wegen missliebiger Veröffentlichungen ins Visier der Nationalsozialisten geraten waren, war er mit seinen 19 Jahren der wohl Jüngste: Vor 85 Jahren, nur wenige Wochen nach Hitlers Machtantritt, floh Stefan Heym von Berlin aus Hals über Kopf vor den Nazis in die Tschechoslowakei. Tags zuvor war in seiner sächsischen Heimatstadt Chemnitz nach ihm gefahndet worden. Dort hatte sich der junge Heym (damals noch unter seinem Geburtsnamen Helmut Flieg) bereits als Schüler mit antimilitaristischen Gedichten den Zorn der Nationalsozialisten zugezogen.
Von der Familie zur Flucht gedrängt, fuhr er mit dem Zug von Berlin nach Schlesien und marschierte dort über einen Pass hinauf auf den noch verschneiten Kamm des Riesengebirges, wo die nur mäßig kontrollierte Grenze zur Tschechoslowakei verlief. In Prag vermittelte ihm die Familie des Schriftstellers Egon Erwin Kisch eine erste Unterkunft. Wie lange das Exil dauern würde, war völlig ungewiss. Noch in der ersten Nacht schreibt er vom Nachtpostamt eine Karte nach Hause und nutzt dabei erstmals jenes Pseudonym, das später ganz offiziell sein neuer Name werden sollte: Stefan Heym.
In Prag schreibt er schon bald für die örtliche deutschsprachige Presse, für Emigrantenblätter unterschiedlicher linker Strömungen, gelegentlich auch für Satirezeitschriften und Revuetheater. „Meine Jahre in der Tschechoslowakei, 1933 bis 1935, haben einen großen Einfluss auf meine spätere Arbeit gehabt, besonders da sie für mich auch die ersten Jahre literarischen Schaffens sind“, blickt Heym später zurück.
Nach anderthalb Jahren geht er auf Vermittlung einer jüdischen Studentenverbindung in die USA. Nach Abschluss seines Studiums wird er in New York Redakteur der neu gegründeten antifaschistischen Wochenzeitung Deutsches Volksecho, 1942 erscheint sein erster Roman Hostages. Schauplatz der Handlung ist das mittlerweile von den Nazis besetzte Prag, seine erste Exil-Station. Nach Deutschland sollte Stefan Heym erst zwölf Jahre nach seiner Flucht wieder zurückkehren – mit amerikanischem Pass, in amerikanischer Uniform, auf der Seite der Sieger.
Lese-Tipp: Seine Flucht aus Deutschland und die Jahre im Exil beschreibt Stefan Heym ausführlich in seiner Autobiografie Nachruf. Zahlreiche, größtenteils kaum bekannte Gedichte aus dieser Zeit sind in dem Band Ich aber ging über die Grenze enthalten.