Mit einer Kolumne von Stefan Heym auf der Titelseite erschien im Herbst 1945 in München die erste Ausgabe der „Neuen Zeitung“. Das von der amerikanischen Militärregierung herausgegebene Blatt wurde binnen kurzer Zeit zur erfolgreichsten deutschsprachigen Zeitung der Nachkriegszeit und erzielte außerordentlich hohe Auflagen. Dem Mitarbeiterstab gehörten neben Angehörigen der US-Armee wie Stefan Heym mehrere deutsche Redakteure an, darunter der Schriftsteller Erich Kästner, dessen Lebensgefährtin Luiselotte Enderle, die Wissenschaftlerin und spätere FDP-Politikerin Hildegard Brücher sowie der spätere Fernseh-Moderator Robert Lembke.
Stefan Heym war vor allem für außenpolitische Themen zuständig. Er betreute die Rubrik „Weltpolitische Umschau“, in der er mit Nachrichten aus aller Welt ausführlich über aktuelle Entwicklungen rund um den Globus berichtete. Besonderes Augenmerk widmete er der Gründung der Vereinten Nationen (UN) und dem Bemühen, in Europa eine tragfähige Nachkriegsordnung zu etablieren. Doch Heyms Engagement bei der „Neuen Zeitung“ dauerte nur wenige Wochen. Angesichts der zunehmend distanzierten Haltung der USA gegenüber der Politik ihres bisherigen Verbündeten Sowjetunion kam es bald zu Konflikten über die politische Linie seiner Beiträge. Nach einer Auseinandersetzung über einen seiner Leitartikel schied er aus der Redaktion aus. Noch vor Weihnachten ging er aus Deutschland zurück nach Amerika, wo er wieder als Schriftsteller arbeitete. Wenige Monate später trat sein Vorgesetzter Hans Habe, der Gründer der Zeitung, als Chefredakteur zurück. „Die Neue Zeitung“ erschien bis 1955.
Lese-Tipp: Stefan Heyms Kolumne „Der eigene Magen“ aus der ersten Ausgabe der „Neuen Zeitung“ ist im Sammelband Wege und Umwege mit Publizistik Heyms aus fünf Jahrzehnten abgedruckt. Einen weiteren Leitartikel Heyms („Fassungsvermögen“), der in Nummer 2 der „Neuen Zeitung“ (21. Oktober 1945) erschien, enthält die von Wilfried F. Schoeller herausgegebene Sammlung „Diese merkwürdige Zeit. Leben nach der Stunde Null“ (Frankfurt am Main: Edition Büchergilde, 2005), die Texte aus der „Neuen Zeitung“ aus den Jahren 1945 bis 1955 dokumentiert.