Stefan Heym begann sein literarisches Schaffen als Oberschüler mit zeitkritischen, politischen, oft satirischen Gedichten. Eines seiner erklärten Vorbilder war damals Kurt Tucholsky, der vor 125 Jahren, am 9. Januar 1890, in Berlin geboren wurde. In der „Weltbühne“ veröffentlichte Arbeiten von Tucholsky standen unter anderem Pate, als Heym (damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Flieg) im Spätsommer 1931 mit dem Gedicht „Exportgeschäft“ seine wohl bekannteste Arbeit aus jener Zeit verfasste. Dessen Veröffentlichung in einer sozialdemokratischen Tageszeitung seiner Heimatstadt Chemnitz ließen die Nationalsozialisten heftige öffentliche Angriffe auf den 18-Jährigen folgen. Sie führten dazu, dass er die Stadt verlassen und bereits im März 1933, wenige Tage nach dem Reichstagsbrand, als ein akut von Verfolgung bedrohter junger Autor aus Deutschland fliehen musste. In Prag, der ersten Station seines Exils, schrieb Heym 1934 für die dort erscheinende Satirezeitschrift „Simplicus“ den Text „Wendriner zur Lage“ (Abbildung), der an die Tradition der von Tucholsky verfassten Monologe eines deutsch-jüdischen Spießers anknüpfte. Heyms Titel-Zusatz „Tucholsky, dem Schweigenden, enteignet“ verdeutlicht seine damalige Enttäuschung über den anhaltenden Rückzug des Zeitkritikers und Publizisten aus der Öffentlichkeit. Eine Enttäuschung, die er mit vielen Zeitgenossen teilte.
Lese-Tipp: Das Gedicht „Exportgeschäft“ findet sich in dem von Inge Heym herausgegebenen Band „Stefan Heym – Frühe Gedichte“ (München: C. Bertelsmann, 2o13); der Text „Wendriner zur Lage“ wurde in dem Sammelband „Zeitzünder im Eintopf. Antifaschistische Satire 1933-1945“ (Berlin: Der Morgen, 1975) nachgedruckt. Eine Tucholsky gewidmete Rede Heyms aus dem Jahr 1983 ist in dem Sammelband „Wege und Umwege/Einmischung“ (München: btb 1998) ab Seite 508 nachzulesen.