Dass ein aktiver Abgeordneter des Bundestags mit einem Roman an die Öffentlichkeit tritt, geschieht eher selten. Vor 25 Jahren aber, im Frühjahr 1995, hatte dies der Lauf der Dinge so ergeben. Ein halbes Jahr, nachdem Stefan Heym als Alterspräsident mit einer viel beachteten Rede den 13. Deutschen Bundestag eröffnet hatte, legte der mittlerweile 82-Jährige mit Radek seinen ersten Roman nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung vor. Auf weit über 500 Seiten zeichnet er darin das Leben des aus Galizien stammenden Revolutionärs Karl Radek nach, einer der widersprüchlichsten Figuren der internationalen kommunistischen Bewegung in den 1920er- und 1930er-Jahren. Der Sonderling vom linken Flügel der polnischen Sozialdemokraten wurde zu einem engen Mitstreiter Lenins, schloss sich später der Linken Opposition um Leo Trotzki an und endete schließlich nach einem der stalinistischen Schauprozesse während der großen innerparteilichen „Säuberungen“ in einem sowjetischen Straflager. Dort kam er unter ungeklärten Umständen ums Leben.
Anders als Heyms vor 1989 erschienene Romane wurde Radek vergleichsweise zurückhaltend aufgenommen. Einige Kritiker monierten, das Sujet wirke nach dem Ende der Sowjetunion ein wenig aus der Zeit gefallen; andere kritisierten einen zu selektiven und zu nachsichtigen Umgang mit Radeks politischem Wirken. Der kürzlich verstorbene Publizist, SPD-Politiker und seinerzeitige Abgeordnetenkollege Heyms, Freimut Duve, sprach im „Spiegel“ gar von einem „Bruderroman“; auch andere Rezensenten bemerkten manch augenfällige Parallele im Leben von Stefan Heym und Karl Radek. „Die Zeit“ lobte das Buch als ein „gelungenes Gedankenwerk über den Zerfall der Mythisierungen und Legendenbildungen um das Phänomen ,Revolution‘“.
Zuletzt ist Radek als Taschenbuch im btb-Verlag erschienen.