Vier Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges begann im Herbst 1945 in Lüneburg der erste Prozess gegen deutsche Kriegsverbrecher auf deutschem Boden. Vor einem britischen Militärgericht mussten sich ab 17. September 45 Angehörige der Verwaltung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen verantworten, darunter Lagerkommandant Josef Kramer. Der Prozess, bei dem auch eine Reihe von Verbrechen im KZ Auschwitz verhandelt wurde, stieß international auf großes Interesse. Rund 200 Journalisten berichteten über die einzelnen Verhandlungstage.
Als Angehöriger der US-Armee war Stefan Heym zu dieser Zeit als Journalist und Redakteur für die deutschsprachige Presse der amerikanischen Militärregierung in Deutschland tätig. Er verfolgte bis Oktober 1945 Teile des Prozesses als Berichterstatter für mehrere Blätter, die in der US-Besatzungszone erschienen. In seiner Autobiografie „Nachruf“ bewertete er den Stil der Artikel rückblickend als „höchst zurückhaltend“, gleichwohl er damals versucht gewesen sei, „sich mit den Opfern dieser Kramer und Konsorten zu identifizieren“. Was Stefan Heym erst Jahre später erfuhr: Unter den 1945 befreiten Häftlingen des Lagers Bergen-Belsen befand sich auch eine seiner Berliner Cousinen.
Der Prozess endete Mitte November 1945, als Stefan Heym bereits nach München kommandiert worden war. Elf Angeklagte wurden zum Tode verurteilt, 19 erhielten Haftstrafen. Die übrigen wurden freigesprochen.
Lese-Tipp: Eine Zusammenfassung der Korrespondentenberichte Heyms aus Lüneburg unter dem Titel „Wir alle starben in Auschwitz“ ist in dem Band „Wege und Umwege“ enthalten.